11 Turn on your muse
Höchst unterschiedliche moderne Musen: Welche inspiriert Sie?
Audioguide
Ist es die Erdbeerlampe? Oder bringt die pinke Gießkanne die zündende Idee? So ziemlich alles kann zur Muse werden – und wir alle dürfen selbst entscheiden, was uns inspiriert! Als ein internationales Highlight wird die Installation des amerikanischen Fluxus-Künstlers Benjamin Patterson zum KRONACHER LICHTBLICK. Aus dem ursprünglich interaktiv konzipierten Kunstwerk „Press here to turn on your muse!“ sind 12 der mehr als originellen Lampen ausgewählt, kunstvoll arrangiert und punktuell beleuchtet: Mit Pattersons künstlerischem Konzept werden Trödelmarktfunde zur sinntragenden Installation. Die verschiedenen Regionen der Welt zugeordneten Musen aus dem 21. Jahrhundert können aus allem Möglichen bestehen: von der Barbiepuppe bis zur Schlange, von der Statue bis zum Abfalleimer. Bei Licht betrachtet, wirkt alles inspirierend.
Lichtpate:
Hier geht es zur mobilen Navigation zum Lichtblick!
Idee und Umsetzung:
Ben Patterson
Kontakt zum Künstler:
Straße PLZ & Ort:
Mangstraße 4 96317 Kronach
Fotografen:
Karl-Heinz Wagner, Falk Bätz, Martin Kessel, Max Rucker, Stefan Heißinger, Christian Köferstein, Martin Zwosta, Sonja Pfeilschmidt, Oda Gräbner
Typ:
Light Art
Hintergrundinformationen:
2 Fragen an Dr. Barbro Patterson zu der Ausstellung des Werks „Press Here To Turn On Your Muse“ (2014) ihres Vaters Ben Patterson bei den KRONACHER LICHTBLICKEN 2021
- Wollte Ben Patterson mit seiner Kunst Mut machen?
Positiv in die Zukunft schauen war immer das Motto von Ben Patterson. Mit seiner Kunst thematisierte er meist aktuelles Zeitgeschehen, in dem er komplizierte und komplexe Dinge sehr simplifiziert darstellte und mit einer Prise Humor versah. Sozusagen Humor als Mut-Macher. Ben Patterson: “Seems to be an important part of my work or an aspect of the work, which I enjoy. If it’s not fun then it’s not worth doing.“ Mit dieser Musenausstellung soll der Besucher eingeladen werden, seine persönliche Muse des 21. Jahrhunderts zu wählen, damit sie eingeschaltet dem Besucher positive Energie geben, ihn erleuchtet und aufklärt. Für diese leuchtenden Ideen sammelte Ben Patterson Lampen als Grundlage für seine Musen. Wie andere Künstler der Fluxus-Bewegung arbeitete er nicht mit klassisch künstlerischen Materialien, sondern inspirierte sich im Alltag und fand seine Materialien beim Trödler, auf Flohmärkten und Spielzeuggeschäften. - Was spielte Licht allgemein für eine Rolle in seinem Werk?
Ben Pattersons Werke bestehen häufig aus bunten Materialien, die nicht selten auch der Kategorie Plastikspielzeug oder Kitsch angehören. Da war es eine fast selbstverständliche Weiterentwicklung seit dem Aufkommen der LED-Technik, diese als Bestandteile seiner Werke und Performances zu verarbeiten, bunt und flackernd – also auch hier wie ein Geistesblitz von unsichtbaren Musen.
Die Musen des 21. Jahrhunderts von Ben Patterson
Auszüge aus einem Text von Dr. Kerstin Krautwig anlässlich der Ausstellung in Blois 2014
Wenn wir heute das Wort "Museum" hören, denken viele von uns an einen langweiligen, verstaubten Ort, an dem man still sein muss, nicht lachen und nichts anfassen darf. Das ist sehr schade, denn das Museum, griechisch "Museion", war ursprünglich der Tempel/das Heim der Musen, Personen, die Menschen zu künstlerischen Leistungen anspornen und inspirieren können. Für die griechischen Dichter war es völlig normal, zu Beginn jedes neuen Werkes zunächst einen Gesang für die Musen zu schreiben, die so genannte "Anrufung der Musen". Mit künstlerischen Leistungen waren in der griechischen Antike aber nicht nur die Dichtkunst, die bildende Kunst, die Musik und das Theater gemeint, sondern auch wissenschaftliche Disziplinen wie beispielsweise die Philosophie oder die Astronomie, eben alles, was mit dem Betreten geistigen Neulands zu tun hatte. Auf Vasen, Wandmalereien und Gemälden werden Musen stets als fröhlich tanzende und singende Personen dargestellt. Das Museion war also ein fröhlicher Ort, ein Ort der Musik, des Tanzes, der Wissenschaften, eben der Inspiration. Genauso sollte man das Museum auch heute erleben, als fröhlichen, inspirierenden Ort, an dem man sich in geistige Themen vertiefen kann, die einen besonders interessieren. Beschäftigt man sich intensiv mit bestimmten Fragen und Inhalten, entstehen früher oder später neue Ideen, Geistesblitze, man fühlt sich richtiggehend erleuchtet. Genau dieser Moment ist es, den Ben Patterson in seiner Installation Press here to turn on your muse! festhält oder versucht, sichtbar zu machen.
Seine Musen begegnen uns in der Gestalt von schönen, lustigen, geheimnisvollen Lampen. Und der Vorteil ist: Man muss nicht warten, bis einen die Muse küsst, man muss keine langen Gesänge anstimmen – obwohl sich die Leute hier in der Fondation du Doute sicher freuen würden, wenn Ihr anfangt zu singen – nein: Man drückt einfach nur auf den Schalter und schon schenkt die Muse die gewünschte Erleuchtung. Aber nicht nur die prompte Lieferung des gewünschten Service "auf Knopfdruck" entspricht unserer heutigen Zeit, auch die Gestalt der Musen hat sich seit der Antike stark verändert. Ben Patterson hat während der letzten Monate viel Zeit mit Recherche verbracht, um herauszufinden, wie Musen im 21. Jahrhundert wohl aussehen. Welche Gestalten sind es, die uns heute inspirieren? Vielleicht eine berühmte Geigerin, unser Lieblingsgartenzwerg oder gar Lady Vashy, eine Protagonistin des Computerspiels World of Warcraft? Der Künstler hat versucht, in möglichst all unseren heutigen Lebensbereichen Gestalten zu finden, die uns zu kreativen Leistungen anspornen. Dabei ist er auch über die Grenzen Europas hinausgegangen und hat sich gefragt, welche Figuren wohl die kreativen Leute in Asien oder Afrika inspirieren. Bei seinen Recherchen ist er zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen, von denen er uns zwanzig hier in der Ausstellung präsentiert. Und diese Musen sind natürlich nicht nur zum Anschauen da! Such Dir Deine eigene Muse aus, drück auf den Knopf und hol Dir Deine ganz persönliche Inspiration!
Die Musen des 21. Jahrhunderts
( … ) Aus Indien hat uns der Künstler die Hindu-Göttin Saraswati mitgebracht. Sie ist die Göttin des Lernens und der Weisheit. Durch ihre Hochzeit mit dem Schöpfergott Brahma wurde sie zur Mutter der gesamten Schöpfung. Sie verkörpert das gesamte Wissen, ist die Schutzherrin aller Wissenschaften und der Künste. Sie ist die Personifikation der vollendeten Weisheit, die auf besonders treue Anhänger übertragen werden kann. Sie herrscht über jede Form der Kommunikation, über Musik und den menschlichen Intellekt. Sie steht für die menschliche Fähigkeit zu denken und zu unterscheiden. Saraswati bedeutet aber auch die Fließende und repräsentiert als solche den unablässig fließenden Strom göttlicher Gnade. Dargestellt wird sie meist auf einer Lotusblüte sitzend, in makellosem Weiß gekleidet, das den Gegenpol zur dunklen Welt der Unwissenheit darstellt. Die Lotusblüte ist ebenfalls ein Symbol für Erkenntnis und Erleuchtung, ist sie doch aus dem dunklen Morast des Teiches hervorgegangen.
( … ) Wir sehen Buddha einmal zusammen mit einer weiblichen Gestalt im Badeanzug, die als Mutter Buddhas aufgefasst werden könnte, sodass man hier von einem jungen Buddha und einer etwas älteren, weiblichen Buddhafigur inspiriert wird.
( … ) Die Muse „Hawaii Green“ bezieht sich auf die alte hawaiianische Tradition des Hula-Tanzes, ein erzählender, zuweilen auch ritueller Tanz, der genauestens einstudiert und sehr korrekt ausgeführt werden muss. Den Lehrer des Tanzes nennt man kumu hula. Kumu bedeutet Quelle oder Ursprung und spiegelt so auf der sprachlichen Ebene die hohe Wertschätzung dieser Aufgabe und die große Verantwortung, die derjenige trägt, der diese Traditionen weitergibt.
Natürlich darf auch der griechische Tempel, das Mouseion, der ursprüngliche Sitz der Musen, in Bens Installation nicht fehlen. Er nennt dieses Objekt passenderweise „Standard Model No. 1.“ Die Götter und Musen werden in diesem Fall allerdings durch die Fluxuskünstler ersetzt, zu denen Ben Patterson selbst gehört und die sich dadurch auszeichnen, mit ihren Kunstwerken die Kreativität des Betrachters anzuregen, ihn zum Mitmachen zu bewegen.
Leicht zu entziffern ist die Muse "Marilyn": Gezeigt wird Marilyn Monroe und ihre wohl berühmteste Darstellung in der Kunst des 20. Jahrhunderts, die farbigen Siebdrucke von Andy Warhol. Warhols Atelier war in den 1960er-Jahren auch eine Art Parnass, ein Musenhügel. Er lud andere Künstler, Musiker und Filmemacher zu sich ein und in allgemeiner Partystimmung wurde zusammengelebt und gearbeitet. Marilyn Monroe hat durch ihre schauspielerische Begabung Regisseure dazu inspiriert, für sie ein Filmdrehbuch zu schreiben, wie Arthur Miller es mit Misfits – nicht gesellschaftsfähig tat.
Dr. Kerstin Krautwig